die faszinierende Schlange (30. August 2022; 4. September 2013)
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Ende August, am Ende eines heißen Sommers, entdeckte Peter in unserem Komposthaufen - nahe dem kleinen Teich im Ausgleichsgelände - das Gelege einer Ringelnatter. Er rief uns herbei und erklärte - insbesondere auch den anwesenden begeisterten Kindern - an Hand einiger Eier des Gelgeges und der gerade geschlüpften Jungen (ca. 10-15 cm Länge), die Lebensweise dieser für uns sehr nützlichen Ringelnattern (Natrix natrix).
Ringelnattern lieben Komposthaufen weil es innen so schön warm ist und es sicherlich auch Einiges zu fressen gibt. Ab Ende September überwintern die Nattern dann meist auch im Komposthaufen, um im März / April wieder an die Sonne zu kommen, worauf sie sich, nach einem ergiebigen Sonnenbad, bald paaren. Detailliertere Infos findet Ihr auf der informativen website von Wolfgang Hemmer (www.naturbilder-hemmer.de): Ringelnatter.
Anfang August 2013 berichtete Gesa mir von einer großen Schlange im benachbarten Garten von Marlene, die ihr Hund aufspürte und biss, nachdem die Schlange ihn zischend bedrohte. Marlenes Kinder konnten die Ringelnatter, denn um eine solche (ungiftige und sehr nützliche) Schlange handelte es sich, gerade noch retten. Zusammen mit Gesa brachten sie sie ins benachbarte Spielwäldchen. Zuvor hatte Gesa die durch die Attacke geschwächte Ringelnatter in einem Korb fotografiert. Auf Gesa's Foto könnt Ihr sie in ihrer vollen Schönheit bewundern, sie ist sicherlich ca. einen Meter lang.
Ein Jahr zuvor hatte Gesa bereits eine Begegnung der besonderen Art mit möglicherweise derselben Ringelnatter. In Gesa's kleinem Gartenteich, direkt vor ihrer Wohnung hatte sich ein Frosch auf den Blättern einer Seerose gesonnt, als urplötzlich eine Ringelnatter aus dem Wasser heraus sich ein Bein des Frosches schnappte. Der Frosch versuchte hüpfend auf dem anderen Bein ins Wasser zu entkommen, aber er hatte keine Chance. Die Ringelnatter verschlang ihn mit Haut und Haaren (s. Gesa's Fotos), wozu sie über eine Stunde brauchte. Dabei kommt den Schlangen zugute, dass sie einen außerordentlich dehnbaren Körper haben und ihren Kiefer mit den Fangzähnen ausklinken, um so auch Beute mit weitaus größerem Umfang als dem des Schlangenkopfes (im Normalzustand) verschlingen zu können.
Wie blitzschnell Schlangen sich auch im Wasser fortbewegen und zuschlagen können, zeigt der folgende Video-clip auf youtube: 'Ringelnatter jagt im Gartenteich' von © Oderbey.
Schlangen gelten gemeinhin als gefährlich weil die meisten Menschen nicht unterscheiden können zwischen Giftschlangen und harmlosen Artgenossen. Gemäß einer neuen Studie der Weltgesundheitsorganisation vom März 2013 werden jährlich weltweit über 5 Mio. Menschen von Schlangen verletzt, davon sterben jährlich ca. 94.000 bis 125.00 Menschen, besonders in den ländlichen Regionen Afrikas. Landarbeiter, Frauen, und Kinder sind am meisten gefährdet. Im Senegal (Westafrika), wo es in den Marschen der Casamance besonders viele Schlangen gibt, sterben jährlich etwa genauso viele Menschen durch Verkehrsunfälle wie durch Schlangenbisse.
Andererseits gelten vielen Afrikanern bestimmte Schlangen wie die (ungiftige) Königspython als heilige Tiere. So zum Beispiel in der Religion des vodun in Benin. In dem Küstenort Ouidah, an der ehemals sog. 'Sklavenküste' Westafrikas, wird z. B. die heilige Königspyhton in einem vodun-Tempel verehrt. Besucher des Tempels dürfen sich die Python um den Hals legen lassen um deren Heilkraft zu erfahren.
Überwiegend gilt die Schlange im Volksglauben - sowohl bei uns als auch in Übersee - aber als Symbol des Falschen, Hinterlistigen, des Verführerischen und des Todes. Andererseits geht von ihr auch etwas Faszinierendes aus. Die Schlange gilt als weise, sie kann die Menschen durchschauen, wie im Märchen von der 'weißen Schlange' der Gebrüder Grimm. Von dieser Ambivalenz wußte bereits das Alte Testament in der Genesis (vom Baum der Erkenntnis) zu berichten. In seiner Fabel vom 'Knaben und der Schlange' hat Gotthold E. Lessing die Ambivalenz dieses Volksglaubens gegenüber der Schlange ebenfalls eingefangen:
Gotthold Ephraim Lessing
Der Knabe und die Schlange
Ein Knabe spielte mit einer zahmen Schlange. »Mein liebes Tierchen«, sagte der Knabe, »ich würde mich mit dir so gemein nicht machen, wenn dir das Gift nicht benommen wäre. Ihr Schlangen seid die boshaftesten, undankbarsten Geschöpfe! Ich habe es wohl gelesen, wie es einem armen Landmanne ging, der eine, vielleicht von deinen Ureltern, die er halb erfroren unter einer Hecke fand, mitleidig aufhob und sie in seinen erwärmenden Busen steckte. Kaum fühlte sich die Böse wieder, als sie ihren Wohltäter biß; und der gute freundliche Mann mußte sterben.«
»Ich erstaune«, sagte die Schlange, »wie parteiisch eure Geschichtschreiber sein müssen! Die unsrigen erzählen diese Historie ganz anders. Dein freundlicher Mann glaubte, die Schlange sei wirklich erfroren, und weil es eine von den bunten Schlangen war, so steckte er sie zu sich, ihr zu Hause die schöne Haut abzustreiten. War das recht?«
»Ach, schweig nur«, erwiderte der Knabe. »Welcher Undankbare hätte sich nicht zu entschuldigen gewußt!«
»Recht, mein Sohn«, fiel der Vater, der dieser Unterredung zugehört hatte, dem Knaben ins Wort. »Aber gleichwohl, wenn du einmal von einem außerordentlichen Undanke hören solltest, so untersuche ja alle Umstände genau, bevor du einen Menschen mit so einem abscheulichen Schandflecke brandmarken lässest. Wahre Wohltäter haben selten Undankbare verpflichtet; ja, ich will zur Ehre der Menschheit hoffen – niemals. Aber die Wohltäter mit kleinen eigennützigen Absichten, die sind es wert, mein Sohn, daß sie Undank anstatt Erkenntlichkeit einwuchern.«
Antoine de Saint-Exupéry hat in seinem weltweit geschätzten Märchen vom Kleinen Prinzen ebenfalls die Ambivalenz des tödlichen Verhältnisses von Schlange und Mensch einfühlsam eingefangen. In dem youtube-Video könnt Ihr die Geschichte - illustriert mit einigen von Saint-Exupéry gezeichneten Originalbildern - anschauen (blauen link oben anklicken): Man sieht nur mit dem Herzen gut!
Bildnachweis: Titelbild: Albrecht Dürer: Adam und Eva (1504), wikimedia.org.
Quelle der Fotoreihe: © Gesa Dibbern, TWA